Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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des Arbeitskampfmitteleinsatzes - Arbeitskampfmaßnahmen offen zu halten.

Der Streik gilt unter heutigen Verhältnissen als letzter Ausweg, um Rechte der Arbeitnehmer zu verteidigen oder berechtigte Forderungen durchzusetzen. Ein gerechtfertigter und rechtmäßiger Streik hat bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen: Die Forderungen müssen auf keinem anderen Wege durchsetzbar sein; der Streik darf kein solches Ausmaß annehmen, daß unentbehrliche Dienstleistungen nicht mehr gewährleistet werden können, Dritte in ungebührlicher und erpresserischer Weise betroffen werden oder die Existenz von Unternehmen beziehungsweise ganzer Wirtschaftszweige gefährdet werden.

Auch die Aussperrung unterliegt in analoger Weise sittlichen und rechtlichen Grenzen. Sie muß - als Gegenmaßnahme zum Streik - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel entsprechen und darf nie das Ziel verfolgen, den anderen Vertragspartner durch Machtmittel auszuschalten.

Zu Recht kann gefragt werden, ob in hochentwickelten Industriegesellschaften mit einem breitausgebauten individuellen und kollektiven Arbeitsrecht Streik und Aussperrung noch angemessene Formen des Arbeitskampfes sind oder nicht durch ein von beiden Seiten kündbares Friedensabkommen oder ähnliche Schlichtungsformen abgelöst werden könnten.

Aufgabe der Gewerkschaften wie der Unternehmerverbände ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder. Wo sie sich für die Rechte ihrer Mitglieder einsetzen, müssen sie die allgemeine soziale und wirtschaftliche Situation berücksichtigen und dementsprechend jenen Beschränkungen Rechnung tragen, die die allgemeine Wirtschaftslage des Landes auferlegt. Dabei sollen sie dort, wo politisch intakte Strukturen bestehen, nicht mit Hilfe des Arbeitskampfes politische Ziele durchsetzen wollen.

Obwohl alle am Produktionsprozeß beteiligten Menschen in bestimmter Hinsicht am Erfolg ihres jeweiligen Unternehmens interessiert sind, bedeutet das keinesfalls, daß Vereinigungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern heute überflüssig sind. Entsprechende Organisationen auf beiden Seiten des Arbeitsmarktes sind aufgrund historischer und heutiger Erfahrungen als ein unentbehrliches Element des sozialen Lebens anzusehen.
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